Geothermisches System
1.4.2 Merkmale und Verwendung geothermischer Systeme
Geothermische Systeme bestehen aus drei Hauptkomponenten: einer Wärmequelle, einer Wärmesenke und einem Wärmetauscher. In der Regel ist die Wärmequelle das Erdreich, während die Wärmesenke eine bebaute Umgebung (im Allgemeinen ein Gebäude) ist. Es kann jedoch auch das Gegenteil der Fall sein, d. h. die Wärmequelle ist eine bauliche Umgebung, während die Wärmesenke das Erdreich ist. Der Wärmetauscher besteht im Allgemeinen aus einem oder mehreren Elementen, die ein Fluid enthalten, das die Wärme zwischen der Wärmequelle und der Wärmesenke überträgt.
Der Einsatz des Erdreichs als Wärmespeicher, d. h. als Wärmequelle oder -senke, ist das Ergebnis langer historischer Entwicklungen, die oft nur auf der Grundlage indirekter Überlegungen behandelt werden können (Cataldi, 1999). Im Folgenden werden einige frühe Entwicklungsbeispiele ihrer Art aufgeführt. In der frühen sumerischen und akkadischen Zeit wurde der Boden als Wärmesenke genutzt, um Eis (und Nahrungsmittel) in so genannten „Eishäusern“ zu lagern, die teilweise oder ganz unter der Erde errichtet wurden (z. B. Dalley, 2002), da diese Umgebungen nur begrenzt an die thermischen Bedingungen an der Oberfläche angepasst waren. Im Paläolithikum und in der römischen Antike wurde der Boden als Wärmequelle für Bäder und Raumheizung genutzt (z. B. Armstead, 1973), was auf dem Vorhandensein von Heißwasserquellen im Untergrund (z. B. Thermalquellen) beruhte. Im Jahr 1904 wurde der Boden als Wärmequelle für die Erzeugung von elektrischem Strom durch den Bau des ersten geothermischen Kraftwerks durch den Prinzen Piero Ginori Conti in Italien genutzt (z. B. Lungonelli, 2003).
Ein wesentliches Merkmal geothermischer Systeme ist die Art und Weise, wie die aus dem Boden gewonnene Wärmeenergie in solchen Systemen genutzt wird. Bei oberflächennahen geothermischen Systemen erfolgt in der Regel eine indirekte Nutzung der geothermischen Energie. Dabei kommen Maschinen oder Geräte zum Einsatz, die den zwischen dem Boden und der Zielumgebung übertragenen Energieeintrag verändern (erhöhen oder verringern), sowie Maschinen oder Geräte, die ein Wärmeträgerfluid zum Fließen (Wärmeaustausch) zwischen ihnen zwingen. In tiefen geothermischen Systemen kann eine direkte Nutzung der geothermischen Energie erfolgen, wenn eine indirekte Nutzung nicht angestrebt wird. Im Gegensatz zum vorhergehenden Fall können in diesem Fall Maschinen, die den zwischen dem Boden und der Zielumgebung übertragenen Energieinput verändern, vermieden werden, und es werden nur Maschinen benötigt, die ein Wärmeträgerfluid dazu zwingen, zwischen dem Boden und der Zielumgebung zu fließen.
Tiefe geothermische Systeme können zur Bereitstellung von Heizung, Kühlung und Warmwasser verwendet werden, wobei die im Untergrund verfügbaren Temperaturen von weniger als 25°C genutzt werden. Diese Systeme eignen sich für den Einsatz in kleinem Maßstab und für den Hausgebrauch an fast jedem geografischen Ort. Tiefengeothermische Systeme können für die Bereitstellung von Heizung und Warmwasser sowie von elektrischem Strom eingesetzt werden, wobei Temperaturen im Untergrund von mehr als 25°C und bis zu 200°C genutzt werden. Diese Systeme eignen sich für mittlere bis große Anwendungen, können aber an spezielleren Standorten eingesetzt werden als oberflächennahe geothermische Systeme.
Zusätzlich zu der zuvor vorgeschlagenen Klassifizierung geothermischer Systeme wird häufig ein weiteres Kriterium zur Charakterisierung dieser Systeme verwendet, das sich auf das Vorhandensein von geschlossenen oder offenen Kreisläufen im Wärmetauscher bezieht. Anhand dieses Kriteriums können geothermische Systeme in den meisten Fällen entweder als geschlossene oder als offene Systeme klassifiziert werden. Geschlossene Systeme verwenden ein Gemisch auf Wasserbasis, das durch versiegelte Rohre zirkuliert, um die Wärme aus dem Erdreich an den Baukörper zu übertragen oder umgekehrt. Bei offenen Systemen wird das Grundwasser, das aus dem Grundwasserleiter entnommen oder über Brunnen in den Grundwasserleiter eingeleitet wird, direkt zum Wärmeaustausch verwendet.
Der entscheidende Unterschied zwischen geschlossenen und offenen Systemen besteht darin, dass bei letzteren im Gegensatz zu ersteren ein Massenaustausch stattfindet und die Wärmeübertragung günstiger ist. Offene Systeme bieten zwar die höchste Energieausbeute, erfordern aber einen höheren finanziellen Aufwand und bergen technische Risiken, z. B. in Bezug auf die Verschmutzung des Untergrunds (Boënnec, 2008). Da es keinen Massenaustausch mit dem Boden gibt, minimieren geschlossene Systeme die Umweltrisiken und Probleme mit Mineralausfällungen und erfordern keine Genehmigungen für die Gewinnung (Narsilio et al., 2014). Bei oberflächennahen geothermischen Systemen kann es sich um einen offenen oder geschlossenen Kreislauf handeln. Tiefe geothermische Systeme haben einen offenen Kreislauf.
Abbildung 1.11 zeigt typische Beispiele für oberflächliche und tiefe geothermische Systeme. Typische oberflächennahe geothermische Systeme sind horizontale geothermische Bohrungen, geothermische Körbe, Grundwassergewinnungssysteme, vertikale geothermische Bohrungen und Energiegeostrukturen. Typische tiefe geothermische Systeme sind Thermalquellen, hydrothermale Systeme und petrothermale Systeme.
Horizontale geothermische Bohrungen sind der flachste Typ von geothermischen Systemen. Diese Systeme bestehen typischerweise aus geschlossenen Polyethylenrohren, die in der Nähe von Gebäuden in wenigen Metern Tiefe (ab einer Tiefe von z= 2-5 m) horizontal in den Boden gepflügt oder gegraben werden. In den Rohren sorgt eine zirkulierende Wärmeträgerflüssigkeit für den Austausch der im Boden vorhandenen Wärme (vor allem infolge der Sonneneinstrahlung), insbesondere für Heizzwecke in Wohngebäuden, in der Landwirtschaft oder in der Aquakultur. Speicherzwecke können jedoch auch in den Fällen erreicht werden, in denen die Bohrungen unter Gebäuden angebracht sind.
Erdwärmekörbe stellen ein kompakteres System als horizontale Erdwärmebohrungen dar und können für ähnliche Zwecke verwendet werden. Diese Systeme werden in der Regel in wenigen Metern Tiefe (ab einer Tiefe von z= 2-10 m) in den Boden eingegraben und bestehen aus geschlossenen Polyethylenrohren, die in einer Spiralgeometrie befestigt sind und in denen ein Wärmeträgerfluid fließt. Anwendungen, bei denen die Spiralen in Oberflächenwasserreservoirs in der Nähe von Gebäuden untergebracht sind, sind ebenfalls möglich, vorausgesetzt, dass diese Reservoirs tief genug liegen, um problematische Bedingungen für den Betrieb des Systems zu vermeiden, z. B. das Einfrieren des Reservoirwassers und damit der zirkulierenden Wärmeträgerflüssigkeit in den Rohren.
Bei Grundwassererfassungssystemen werden offene Brunnen verwendet, die von Grundwasserreservoirs umgeben sind, die sich in geringer Tiefe (ab einer Tiefe von z= 5-20 m) befinden. Diese Systeme können eingesetzt werden, wenn keine hydrologischen, geologischen und umweltbedingten Beschränkungen vorliegen. Sie werden in der Regel zu Heizzwecken eingesetzt, indem die im Grundwasser vorhandene Wärmeenergie genutzt wird. Bei kleinen Bauwerken können Einzelbrunnen verwendet werden. Größere Bauwerke erfordern in der Regel Doppelbrunnen. Entnahme- und Injektionsbrunnen können eingesetzt werden, um ein ausgeglichenes unterirdisches Wärmefeld zu gewährleisten, was für die Leistungsfähigkeit und in einigen Fällen auch für die Umwelt von wesentlicher Bedeutung ist.
Vertikale Erdwärmebohrungen bestehen aus geschlossenen Polyethylenrohren, die vertikal in den Boden unter oder neben Gebäuden in größerer Tiefe als bei den vorherigen Anwendungen (ab einer Tiefe von z= 50-300 m) eingelassen werden. In der Regel wird ein Füllmaterial (z. B. Bentonit) in das Bohrloch eingebracht, um den Wärmeaustausch zwischen dem Erdreich und den Rohren zu verbessern. Ein in den Rohren zirkulierendes Wärmeträgermedium ermöglicht den Wärmeaustausch für Heiz-, Kühl-, Speicher- und Warmwasserzwecke in den unterschiedlichsten Bautypen. Einzelne Bohrungen können kleine Wohngebäude versorgen. Bohrfelder werden benötigt, wenn größere Gebäude mit Wärmeenergie versorgt werden sollen. Mit vertikalen Geothermiebohrungen lassen sich aufgrund des höheren Temperaturniveaus des Bodens in den betrachteten Tiefen höhere Energieeinträge erzielen als mit flacheren Geothermieanlagen.
Energiegeostrukturen sind neuartige geothermische Systeme, die (ab einer Tiefe von z=10-50 m) die strukturelle Stützfunktion jeder erdberührten Struktur mit der Wärmetauscherfunktion flacher geothermischer Systeme koppeln, mit vergleichbaren und sogar günstigeren Ergebnissen als die zuvor beschriebenen Systeme.
Thermische Quellen können im Allgemeinen als tiefe geothermische Systeme eingestuft werden, obwohl sie auch in Tiefen gefunden werden können, die für flache geothermische Systeme charakteristisch sind. Bei diesen Systemen handelt es sich um offene Brunnen, die von heißen Grundwasserreservoirs umgeben sind, die sich relativ tief im Untergrund befinden (ab einer Tiefe von z= 500-1000 m). Sie werden typischerweise für Bade- und medizinische Zwecke genutzt, indem die im Untergrundwasser vorhandene thermische Energie genutzt wird.
Hydrothermale Systeme fördern Grundwasser durch offene Brunnen aus Tiefen, in denen die Temperatur und die thermische Energie ausreichend hoch sind, um großflächige Heizanwendungen zu realisieren (ab einer Tiefe von z= 1000-4000 m). Typische Anwendungen dieser Systeme sind die Fernwärmeversorgung, aber auch die Beheizung großer industrieller oder landwirtschaftlicher Anlagen ist möglich.
Petrothermale Systeme fördern ebenfalls Grundwasser über offene Brunnen, jedoch aus größeren Tiefen als hydrothermale Systeme (ab einer Tiefe von z= 4000-6000 m). Die in diesen Tiefen im Wasser vorhandene Temperatur und thermische Energie kann für die Stromerzeugung und -versorgung im großen Stil genutzt werden.
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